„The Northern Sky in Winter" by cathedral carver – Übersetzung

Zusammenfassung: Wenn es am dunkelsten ist, sieht man die Sterne.

Für den Snapecase 2011 geschrieben.

Der Nordhimmel im Winter

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Erinnerung ist die Bibliothek des Geistes.

~Francis Fauvel-Gourand

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Sie heiraten später im Leben und haben keine Kinder, was ihnen gut passt. Sie sind beide viele Jahre lang Lehrer, und als sie in Pension gehen, ziehen sie ein kleines Haus am Land, was ihnen auch gut passt. Hermione gibt am Wochenende Nachhilfeunterricht und Snape braut Gegengifte für Kappa-Bisse und versehentliche Belladonna-Vergiftungen. Sie lesen Bücher und machen Spaziergänge. Gelegentlich laden sie alte Freunde ein, doch als die Jahre vorübergehen, kommen die Freunde seltener zu Besuch, was – beide sind sich einig – auch gut ist. Sie essen und reisen und streiten heftig und versöhnen sich schnell und lieben einander sehr.

Er beginnt langsam, der Abstieg. Es ist wie herankriechender Nebel, denkt sie später, leise und trüb, aber stets anwesend und vage unheimlich. Snape verlegt Dinge. Kann sich nicht erinnern, wo er sein Zaubertränkenotizbuch gelassen hat oder seine Augengläser, die er nun zu tragen pflegt, da seine Sehkraft nachlässt. Sie findet die Dinge und macht sanft tsk und er zieht seine Augenbrauen hoch und besteht darauf, dass er dort nachgesehen hat und sie vor einer Minute nicht dort waren. Er kauft doppelte Portionen Liebstöckel und Beifuß, wo er schon einen vollen Vorrat daheim hat. Kleine Dinge, denkt sie, aber doch. Er verliert seine Handschuhe. Er verliert seinen Schal. Er verliert seinen Zauberstab.

Dann, eines Tages, als er schon recht alt ist, beginnt Severus Snape seinen Verstand zu verlieren.

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Sie findet ihn im Garten herumwerkelnd, über Sumpfgarbe und Kreischbeißer murmelnd. Es ist später Oktober und es wird kälter, obwohl der Tag hell ist, fast zu hell, und sie schirmt ihre Augen gegen die Blendung ab. Einer der letzten guten Tage, denkt sie.

„Was tust du gerade?", fragt sie.

Er schreckt hoch. Er dreht sich um und blinzelt sie an. „Wenn du es wissen musst, ich stutze den Zitternder Ginsterbusch und frage mich, warum die Christrose heuer so schrecklich karg ist. Wie in aller Welt soll ich eine anständige Charge Trank des Friedens damit machen?" Er winkt ihr mit der ausgefransten Pflanze zu, seine Stirn in Falten.

„Ich verstehe."

Sie bewegt sich nicht. Er zieht eine Augenbraue hoch. „Gibt es sonst noch etwas?"

„Warum kommst du nicht hinein? Du siehst kalt aus. Ich mache uns Tee und wir können beim Feuer sitzen."

Er blinzelt wieder, zögert. „Also, ich fühle mich recht durchgefroren."

Er bewegt sich immer noch nicht.

Hermione neigt ihren Kopf zur Seite. „Was ist los?"

„Nichts." Dann, sehr höflich: „Bloß, es tut mir leid, wie sagtest du noch einmal, ist dein Name?"

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„Also, ich habe eine komplette Diagnostik gemacht, und abgesehen von einigen komplett normalen Altersbeschwerden, scheint er im Moment ziemlich in Ordnung zu sein", sagt Luna heiter.

Sie sitzen in der Küche, Tassen auskühlenden Tees vor ihnen, das Nachmittagslicht schräg auf den Boden einfallend. Snape ist im Wohnzimmer, eine Ausgabe des Tagespropheten liegt vernachlässigt in seinem Schoß. Er starrt aus dem Fenster auf einen Stand von Bäumen, kahl und farblos. Er sitzt schon seit einer guten Stunde genauso da.

„Ja, das ist er, im Moment." Hermione hält ihre Hände sehr fest in ihrem Schoß. Ihr Kiefer ist verkrampft. „Das ist der springende Punkt, Luna. Es kommt und geht. Und es wird schlimmer."

„Er war ziemlich hell, als er mit mir gesprochen hat. Nannte mich einen blonden, hirnlosen Trottel. Ich bin mir recht sicher, dass er mich erkennt."

„Gut, er weiß heute auch, wer ich bin, also fürchte ich, hilft das nicht."

„Schläft er ausreichend? Angemessene geistige Anregung? Wie ist euer Sexleben?"

„Ja, ja und völlig in Ordnung. Wie ist deines?"

„Oh, Neville war immer schon ein bisschen prüde, wirklich. Er hat das nie überwunden, nicht einmal in diesen späteren Jahren. Ehrlich. Wie schwer ist es, sich als Thestral zu verkleiden, um mich ein wenig zu erregen?"

„Merlin, Luna - "

„Wie auch immer. Ich gebe dir ein paar Entspannungstechniken, wenn das in Ordnung ist. Ihr könnt sie zusammen ausprobieren, wenn ihr wollt. Spazieren, zum Beispiel, ist sehr gut. Macht weiter mit dem Sex. Immer großartig. Jede Form der Bewegung, in Wirklichkeit. Und habt ihr jemals Sternengucken ausprobiert?"

„Wie bitte?"

„Ich finde, es öffnet den Geist, für alle Möglichkeiten."

Nachdem Luna in einem Wirbel von lila Seide und Federn und dem Duft von Thestraldung abgereist ist, braut Hermione Snape ein heißes Getränkt, bringt es ihm.

„Trink' das", sagt sie, und gibt ihm die dampfende Tasse. Die Wolke, die darüber schwebt ist bösartig und grün. Snape fängt einen Hauch ein und stellt sie ab.

„Spulenwurzel Saft. Ehrlich, Hermione. Spulenwurzel ist eine der nutzlosesten, populär-psychologischen, unwirksamen - "

„Sie, Luna … wir beide versuchen nur zu helfen."

„Ich habe keine Zweifel." Er seufzt. „Was hat sie noch vorgeschlagen?"

„Sex."

„Hmm."

„Sie denkt auch, wir sollten die Sterne betrachten."

Snape schnaubt laut, verdreht seine Augen, schüttelt seinen Kopf. „Und du denkst, mein Geist ist verwirrt."

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Sie findet ihn unten im Keller, nachdem sie volle 20 Minuten gesucht hat. Sie ist am Rande einer ausgewachsenen Panik und sie steht stockstill am Fuße der Treppe, ihr Herz schmerzhaft in ihrer Brust dröhnend, ihre Hände zu kalten Bällen an ihrer Seite verkrampft. Er ist gegen die gegenüberliegende Wand gekrümmt, den Zauberstab in Händen, murmelnd und schwenkend, einen Zauberspruch nach dem anderen nach dem anderen, vermutet sie, in die Düsterheit werfend.

„Incendio!"

Nichts.

„Confrigo!"

Nichts.

„Deprimo!"

Nichts.

„Avis!"

Ein kleiner, krank aussehender Kanarienvogel taucht aus seinem Zauberstab auf und fällt auf den Boden. Snape seufzt. Hermione tritt von der letzten Stufe. Snape springt auf und dreht sich zu ihr. Es ist sehr still, abgesehen von einem gelegentlichen, schwachen Zwitschern.

„Ich habe dich gesucht", sagt sie schließlich, nur um die Stille zu durchbrechen.

„Hast du?"

„Ja." Ihre Stimme steckt in ihrer Kehle fest. Es tut weh. „Hast du mich nicht gehört?"

„Ich glaube nicht."

Sie starren einander an.

Sie macht einen weiteren Schritt. „Was tust du hier unten?"

„Ist das nicht offensichtlich? Meine Fähigkeiten verfeinern." Er pausiert, schiebt seinen Zauberstab in seinen Ärmel. Er schaut sich um. „Wie auch immer, würdest du mir bitte sagen, wo genau hier ist?"

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„Heute lese ich im Blauen Buch", sagt er eines Novembernachmittags laut. Es ist trüb und grau und

stürmisch. Nackte Zweige kratzen Wolken. Regentropfen schlagen Fensterscheiben. Ein schrecklicher Tag und Hermione fühlt sich darin schrecklich. In einen schweren Pulli gehüllt, starrt sie Snape an, ohne zu verstehen. An einigen Tagen hat sich mehr Geduld für seine weit schweifenden Reden, als an anderen. Heute hat sie keine.

„Wie bitte?"

„Das Blaue Buch, das Blaue Buch", sagt er und klingt sehr wie sein jüngeres Selbst, sein jähzorniges Selbst, jenes, in das sie sich verliebt hat. Sie lächelt, ihrem eigenen Willen zum Trotz.

„Im Gegensatz zu deinem, Severus, ist mit meinem Gehör alles in Ordnung. Ich verstehe einfach - "

„Ich habe, um so lange wie möglich kohärent und hell zu bleiben, meine Erinnerungen in Bücher geordnet", erklärt er, nicht allzu geduldig. „Ich habe hier ein Bücherregal." Er tippt sich auf die Stirn. „Es ist recht groß, aus einem dunklen, reizenden Mahagoni gefertigt. Es gibt vier Regale. In jedem Regal sind vier Bücher. In jedem Buch sind Erinnerungen an bestimmte Jahre, bestimmte Ereignisse." Er stoppt, und sieht sie nicht ganz an. „Und, bestimmte Leute."

„Ah." Sie ist fasziniert. „Und, dieses … Blaue Buch."

„Eine Schönheit", sagt er auf einmal, lächelnd. „Gebunden in feinstes Mondkalbleder und gedruckt auf Fabriano Pergament. Ich bewahre sehr wertvolle Erinnerungen darin auf."

Sie wartet. Als er spricht, sind seine Augen flammend.

„Heute erinnere ich mich an unser Umwerben."

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Dann sind da die schlechten Tage. Die Tage, an denen er alles fallen lässt, was er angreift, an denen er seinen Weg vom Wohnzimmer in die Küche nicht finden kann. An denen sie ihn findet, still und mit steinernem Gesicht im Garten, verstümmelte Pflanzend umklammernd, keine Erinnerung daran, wie er dorthin gekommen ist und was er tut.

Sie leitet ihn hinein – er erlaubt es ihr nicht, ihn zu berühren – befiehlt ihm, sich hinzusetzen, während sie eine Wärmeflasche und eine kleine Flasche Feuerwhisky holt.

Er murmelt etwas, das sie nicht mitbekommt.

„Was hast du gesagt?"

„Es ist zu verdammt kalt", sagt er und zieht die Decke um seine Schultern. Sie beschwört ein Feuer herauf, was den Schatten eines Lächelns auf seine Lippen bringt. „Das war immer dein Fachgebiet, nicht wahr?"

„Eines von vielen", neckt sie. „Ich musste es vor dir verstecken, in den alten Zeiten."

„Unverschämt."

„Das hast du an mir gemocht, erinnerst du dich?"

Er nimmt einen großen, schaudernden Atemzug, hält ihn einen Moment, atmet dann aus. Er greift nach ihrer Hand, findet sie, hält sie fest.

„Manchmal."

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Heute hat er das große, in Drachenhaut gebundene Rote Buch herunter genommen, aus den Hogwarts Jahren, ihre Schülertage. Sie liegen zusammen im Bett und hören dem spätherbstlichen Wind zu, wie er die Knochen ihres Hauses durchschüttelt.

„Du warst mir ein Rätsel, von Anfang an", sagt er. „Gryffindor! Verdammte Gryffindor."

Sie legt ihren Kopf auf seinen Brustkorb. Seine Finger schlängeln sich durch ihre Locken, jetzt mehr grau als braun, gröber und unbändiger denn je.

„Du warst nicht auf konventionelle Art hübsch, natürlich", sagt er und sie versteift, öffnet ihren Mund um zu protestieren, lächelt dann. „Und lästig. Frech! Aber schlauer als jede Schülerin, die ich je hatte, und du wusstest es."

„Ich denke gerne, dass ich über die Jahre ein bisschen milder geworden bin. Bin, vielleicht, ein wenig zugänglicher geworden?"

„Vielleicht." Seine Lippen zucken. „Ich habe dich aus der Ferne beobachtet, all jene Jahre, habe versucht, meine Gefühle zu unterdrücken, und als sie nicht unterdrückt werden konnten, habe ich gehofft, du würdest sie eines Tages erwidern."

Sie lächelt.

„Wie konnte ich eine Schülerin lieben?" Er klingt verwundert. „Wie konnte ich erlauben, dass mir so etwas passiert? All jene Jahre, umgeben von all jenen ausgezeichneten Köpfen, aber du warst die Erste."

Er pausiert, sieht sie direkt an, blinzelt, als würde er etwas realisieren. „Und die Letzte."

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Schild, das in der lokalen Apotheke hängt: Von all den Dingen, die ich verloren habe, vermisse ich meinen Verstand am meisten.

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Er ist im Bett, zusammengerollt auf seiner Seite, Tränen rinnen über sein Gesicht. Das Kissen ist nass unter seinem Kopf.

Sie legt ihren Arm um ihn. „Was ist los?"

„Ich habe solche Angst."

„Warum?"

„Ich weiß nicht, wie es enden wird."

„Ich habe auch Angst", sagt sie.

„Warum?"

Weil ich glaube, dass ich genau weiß, wie es enden wird.

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„Warum tun wir das noch einmal?"

„Luna sagt, dass wir aktiv bleiben sollen, sowohl im Geist als auch im Körper", sagt sie zum siebten Mal. Aber es ist kalt, so verdammt kalt. Späte Dezemberkälte, dicht und hinterlistig, kriecht trotz ihrer Schichten an Kleidung hinein, trotz der Wärmungszauber, die sie gesprochen hat. Ihre Zauberkunst ist schwach, bemerkt sie, ist schon seit Monaten schwach, aber sie hat kaum die Zeit oder Energie über diesen Fakt nachzudenken. Sie ist müde und verängstigt. Sie sind diesem Pfad viele Male zuvor gefolgt. Sie schiebt ihren Arm durch seinen und er hält ihn nahe, während sie spazieren, ihre Stiefel quietschen im Schnee. Der Himmel ist komplett klar, tief und schwarz und so voll von Sternen, dass es Hermiones Atem verschlägt.

Es ist ein guter Tag für Snape. Er hat nur eine Sache vergessen – den Wochentag – aber nachdem es Mittwoch ist, und langweilig, sorgt sie sich nicht. Er geht langsam, aber bestimmt, und sein Atem vermischt sich vor ihnen mit ihrem, hängt dick und ruhig in der Nachtluft.

„Ich muss … rasten, nur für einen Augenblick", sagt er schließlich, mit einiger Verlegenheit.

„Natürlich", sagt sie. Sie beschwört zwei weiche Sessel und ein Feuer herauf. Sie hilft ihm hinunter, zaubert eine Wolldecke für seinen Schoß.

„Schau dir all die Sterne an, meine Liebe." Sie blicken hinauf, wie sie es zuvor taten.

„Der Nordhimmel", sagt er schließlich. Er spricht ruhig, aber sie hört jedes Wort. „Und da, siehst du? Der helle Stern. Der Nordstern. Der Polarstern. Polaris."

„Ich sehe ihn", sagt sie, seinem Finger folgend. Er ist jetzt ihr Lehrer, sie die Schülerin. Es ist so einfach, in jene Rollen zurückzufallen, bequem und irgendwie tröstend. Es ist ein Rotes Buch Tag, nimmt sie an. Mittwoch. Ein Hogwarts Tag. Sie klammert sich fest an den Moment.

„Polaris ist berühmt dafür, sich an unserem Himmel fast still zu halten, während der gesamte Nordhimmel sich um ihn bewegt", beginnt er. Wie sie seine Stimme liebt. „Einige glauben, Polaris sei der hellste Stern am Nachthimmel, aber das ist er nicht. Er ist tatsächlich circa der 50st hellste."

„Wirklich?" sagt sie. Er nickt. Sie hat, selbstverständlich, diese exakte Rede mindestens drei Mal zuvor gehört, jedes Mal, als sie diese Wanderung gemacht haben. Sie blinzelt ihre Tränen zurück und schnüffelt, aber er denkt, ihr ist einfach kalt und kommentiert nicht.

„Ja. Polaris markiert die Richtung Norden, ein gelber Überriese, der mit der Helligkeit von 2 500 Sonnen scheint. Der einzelne Lichtpunkt, den wir als Polaris sehen, ist tatsächlich ein Binärsystem – zwei Sterne, die einen gemeinsamen Masseschwerpunkt umkreisen. Er ist auch der nächste und hellste Cepheiden Wanderstern – eine Art von Stern, die Astronominnen verwenden, um Distanzen zu Sternenhaufen und Galaxien zu bestimmen."

Er spricht, als würde er aus einem Lehrbuch rezitieren. Er spricht aus dem Gedächtnis. Sie weiß nicht, wo er dieses Wissen aufgesammelt hat, aber sie traut sich nicht zu fragen, möchten den Zauber nicht durchbrechen. Sie klammert sich weiter fest.

„Der Große und der Kleine Wagen schwingen um Polaris, machen einmal am Tag einen vollen Kreis, oder, genauer, einmal alle 23 Stunden und 56 Minuten."

„Ah."

„Wenn man eine Linie durch die Zeigersterne zieht -", er deutet mit einem behandschuhten Finger. „ - bringen dich Dubhe und Merak immer zu Polaris, dem Nordstern. Umgekehrt, markiert Polaris das Ende des Griffs vom Kleinen Wagen. Wie der Große Wagen, hat der Kleine Wagen sieben Sterne. Aber die Sterne zwischen Polaris und den äußeren Schalensternen – Kochab und Pherkad – sind eher gedämfpt."

„Hmm."

„Je nach Jahreszeit können der Große und der Kleine Wagen hoch am Nordhimmel oder niedrig am Nordhimmel gefunden werden. An Frühlings- und Sommertagen scheinen sie am höchsten am Himmel. An Herbst- und Winterabenden, lauern sie am nächsten zum Horizont." Er pausiert. „Bin ich zu schnell für dich?"

„Nein."

„Sehr gut. Der Große Wagen ist in Wirklichkeit ein Asterismus, ein Sternenbild, das keine Konstellation ist. Zu Thales' Zeiten, markierten die Sterne Kochab und Pherkad die ungefähre Richtung des nördlichen Himmelspols, dem Punkt am Himmel, der direkt über dem Nordpol der Erde liegt. Bis zum heutigen Tage sind Kochab und Pherkad als Wächter des Pols bekannt."

„Wächter des Pols", sagt sie, so leise, dass sie nicht weiß, ob er sie gehört hat. Dann, „Sprich' weiter."

Aber er spricht nicht. Plötzlich sind ihm die Wörter ausgegangen. Sie drückt seinen Arm.

„Severus?" sagt sie. Er sieht sie an und er ist fort.

„Ja?"

„Severus …"

„Wer … bist du?" sagt er, seine Augen überrascht. Er schluckt, zieht sich leicht zurück.

„Ich bin Hermione", sagt sie.

„Hermione."

„Ja. Du hast mir gerade über den Himmel erzählt, die Sterne, Polaris - " Ich werde nicht weinen, denkt sie.

Er schüttelt seinen Kopf.

„Ich … kenne dich, und doch." Er schließt seine Augen, wütend. „Ich kenne dich!"

Er packt seinen Kopf mit seinen Händen, mahlt seine Zähne aneinander. Sie legt ihre Arme um ihn, versucht ihn an sich zu ziehen, aber er widerstrebt, sein Körper steif und gerade.

„Es ist in Ordnung", sagt sie, wieder und wieder. „Es ist in Ordnung."

Aber natürlich ist es das nicht.

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Das Gelbe Buch (gebunden in Salamanderhaut), erfährt sie, enthält die jüngsten Erinnerungen, ihre Reisen, ihre diversen Karriereerfolge, erfundene Zaubertränke und gelehrte Lektionen, ihr Älterwerden, gemeinsam. An Gelbes Buch Tagen ist er aufgeregt, wildäugig mit ihren Abenteuern, der Ausflug nach Australien, um ihre Eltern zu retten, ein Redebeitrag an der Sorbonne. Auszeichnungen, Akkoladen, Errungenschaften.

Gelbes Buch Tage enden immer mit einem mitreißenden Anfall von Liebesakten.

Hermione freut sich auf Gelbes Buch Tage.

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An sehr schlechten Tagen, nennt er sie Lily und sie versteckt sich in der Besenkammer und weint, als würde ihr Herz brechen.

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„Ich habe alles für ihn getan, was ich kann", sagt Luna. „Und du hast das auch. Es ist Zeit, zu akzeptieren - "

„Nein!" Hermione möchte ihre Hände auf ihre Ohren legen. Sie möchte Luna schütteln, bis ihre Zähne und ihre Korkhalskette rattern. „Du verstehst nicht. Bestimmt … bestimmt gibt es irgendetwas …"

„Du darfst nicht vergessen, dass er Halbblut ist", sagt Luna mit einem halben Lächeln. „Und damit anfällig für Muggle Gebrechen, inklusive Leiden des Gehirns. Alzheimer. Demenz."

„Demenz." Hermione stoppt, plötzlich an einen Onkel erinnert, Lenny, in einem Rollstuhl in der Ecke eines Pflegeheims zusammengesackt, nicht in der Lage, sich an den Wochentag, seinen Namen, seine Frau, sein Leben zu erinnern.

„Nein", sagt sie, bereits ihren Kopf schüttelnd. „Nein. Nicht Severus. Er ist zu …"

Intelligent, weise, scharfzüngig, störrisch, stur.

„Ich werde ihn nicht nach St. Mungo schicken. Werde ich nicht."

„Hermione - "

„Luna, du bist jetzt seit mehr als 20 Jahren Heilerin. Was ist deine Prognose … ehrlich?"

„Er ist menschlich, Hermione. Er wird eines Tages sterben, so wie du. Aber er liebt dich immer noch. Heute. Das darfst du nicht vergessen."

„Nein. Aber er kann es."

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„Ich habe gehört, was Luna heute gesagt hat."

Es ist spät, mehr Schatten als Licht.

„Ich wollte nicht, dass du es hörst."

„Ich möchte dich nicht vergessen."

„Ich möchte nicht, dass du mich vergisst."

„Wie werde ich das wissen? Ich werde es vergessen haben."

„Ich werde dich erinnern."

Sie schlingt ihre Arme um ihn, hält ihn so fest sie kann. Er liegt da, unbeweglich, starrt auf ihr Gesicht.

„Wie um alles in der Welt könnte ich die einzige Person vergessen, die mich jemals wirklich geliebt hat?"

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Er rennt aus dem Haus, panisch, halb angezogen, bloße Füße rutschen am Eis aus. Sie findet ihn zusammengekauert unter dem Weidenbaum, nach seiner Mutter fragend.

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Weihnachten und Geschenke und Weihnachtslieder und nur die beiden und er erinnert sich an sie, erinnert sich an alles. Es ist ein Gelbes Buch Tag.

„Ich möchte, dass es für immer so bleibt", sagt sie, bevor sie denkt. Sie speisen Perlhuhn und gönnen sich ihre zweite Tasse Met. Snape senkt seine Gabel, zieht eine Augenbraue hoch. „Das möchte ich auch."

„Ich verstehe … nichts von alldem. Ich kann … es ist nicht fair." Sie schluckt ihr Getränk, tupft ihre Augen mit der Serviette ab.

„Das Leben ist unfair. Es ist grausam, Hermione. Altern ist ein grausamer Witz und ich habe beschlossen, nicht mehr länger Teil davon zu sein."

„Ich bin mir nicht sicher, was du meinst."

„Es ist recht einfach, wirklich. Ich werde mein Schicksal kontrollieren, nicht irgendeine scheußliche Krankheit."

„Wirklich. Sprich'."

„Ich habe ein paar Ideen in petto, wollen wir sagen."

„Was? Einen Trank? Einen dunklen Zauberspruch?" Hermione greift nach seiner Hand. Er nimmt sie.

„Vielleicht", sagt er, mit zuckenden Lippen. „Oder vielleicht werde ich bloß zu den Sternen blicken."

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Januar, kalt und weiß und still. Die Sonne ist heraußen. Es ist ein guter Tag.

„Wo gehst du hin?" fragt sie, sich ihre Hände an ihrer Schürze abwischend.

„Ein kleiner einzelgängerischer Ausflug", sagt er. Seine Stimme klingt stark und fest, und sie ist plötzlich, magisch zurück transportiert, Jahre um Jahre, in das Zaubertränke Klassenzimmer. Er ist gut und unversehrt und ein Lehrer und er sieht sie mit Augen an, die hell und bei gesundem Verstand und voll Leidenschaft sind.

Er zieht seinen Umhang an, ein Paar Handschuhe. Er holt seinen Gehstock hinter der Eingangstür hervor. Er küsst sie gründlich. Er hält sie an sich. Sie fühlt sein Herz schlagen.

„Ich glaube, ich sollte mitkommen." Panik dreht ihr den Magen um.

„Nein, ich fürchte nicht." Da sind Tränen in seinen Augen, kurz, bevor er sie weg blinzelt. „Das ist eine Reise, die ich alleine unternehme."

Er hält inne, mit der Hand auf dem Türknauf. Er spricht, ohne sie anzusehen. „Heute werde ich im Grünen Buch lesen. Mein liebstes. Gut verschlissen, weil es so gut genutzt wurde, aber wunderschön, gerade deswegen. Ein Buch, in dem ich alle meine liebevoll gehüteten Erinnerungen an dich gesammelt habe. Ein langes, freudvolles Kapitel, voll von der Poesie der Hingabe und Begierde. Die Geschichte davon, wie wir uns verliebt haben, wie wir einander immer noch lieben." Er sieht sie an und lächelt. „In den Sternen geschrieben, ja?"

Dann ist er fort.

Es ist, natürlich, das letzte Mal, dass sie ihn sieht. Er kehrt niemals zu ihrem Haus zurück, und obwohl sie sucht, obwohl viele Leute suchen, wird er nie gefunden. Irgendwie ist ihr das lieber, dieser letzte Akt der Zauberkraft, dieser Akt des Verschwindens, als über seinen ausgemergelten Körper zu stolpern, erfroren und von Tieren zerfleischt; oder als ein langer, dahingezogener Tod in seinem Bett, sich weiter und weiter in die dunklen Tunnel und Irrwege seines zerfallenden Geistes zurückziehend.

Ich habe ihn nicht verloren, sagt sie sich. Ich habe ihn gehen lassen.

Sie spaziert oft, dieses erste Jahr alleine, lange, weitläufige Wanderungen, aber die Winterwanderungen sind ihre liebsten. Sie genießt die Kälte, die in ihre Haut beißt. Sie mag die Art und Weise, wie ihr Atem um ihren Kopf herum schwebt. Sie mag es, wie ihre Augen stechen und wässrig werden, fast so, als würde sich weinen. Die Sterne sind so hell am Winterhimmel, dass es schmerzt, sie direkt anzuschauen und sie blinzelt weiter bis Tränen aus ihren Augen tropfen und auf ihren Wangen frieren.

Großer Wagen, Kleiner Wagen, flüstert sie, den Kopf zurückgeneigt, Finger in ihren Fausthandschuhen gekringelt. Die Sterne sind beständig, leuchtend, hart wie Eis. All jene Sterne. Millionen und Millionen. Wo bist du? Wo bist du?

Sie möchte weinen, aber es ist zu kalt. Stattdessen stampft sie mit ihren Füßen auf, hart, tritt auf den Schnee ein, steuert auf das Haus zu. Die Sterne schauen zu.

Wo bist du?

Ihr ist schwindlig, plötzlich. Sie schließt ihre Augen, aber das macht es schlimmer. Als sie die Augen öffnet, sind die Sterne genau dort in ihrem Gesicht, riesig, blendend, überwältigend.

Hier. Hier.

Während sie geht, zählt sie sie beim Namen auf, aus dem Gedächtnis. Sie sind nun alte Freunde: Phecda, Merak und Dubhe, Alioth, Megrez, Mizar und Alkaid. Kockab und Pherkad, die Wächter. Und Polaris.

Sie bleibt noch einmal stehen.

Polaris.

Richtung Norden.

Sie lächelt. Polaris, hell und still, hält sich stabil und wahr am Himmel, leitend und erhellend, während alles andere, Planeten und Sterne und launische Reisende, vertrauensvoll, unfehlbar, um ihn herum schwingen.

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