Wer braucht eine Umarmung?
Zusammenfassung: Snape tut es
1. Wie hat es angefangen?
Sie war ganz knubbelige Knie (mit neonpinken Muggle-Pflastern!) und fliegende Haare, Socken, die nie ganz oben blieben und eine Stimme und Manier, die unangenehm zwischen unausstehlich dienstfertig und mädchenhaft kreischend pendelten.
Sie war unerträglich.
Juni und der letzte Schultag, zu heller Sonnenschein und ein gesegneter Rückzug in die Vertraulichkeit seiner Kerker, dunkel und geschlossen und tröstlich.
„Ich bin nur gekommen, um auf Wiedersehen zu sagen!", kündigte sie vom Eingang aus an, den Ranzen über die Schulter geworfen. Sie schwankte etwas unter seinem beträchtlichen Gewicht. Er stand hinter seinem Schreibtisch, gerade damit fertig geworden, seine Laden von konfisziertem Zonko's Krimskrams zu leeren. Sein Kopf schnellte beim Klang ihrer Stimme hoch und er runzelte die Stirn. Sie grinste. Er blinzelte sie an und schloss dann seine Augen für länger als ein Blinzeln. Als er wieder aufsah, war sie immer noch da, immer noch grinsend. Sie trug ihr Haar auf eine Weise, die einem Wasserfallzopf ähnelte, und er fand sich fasziniert von dessen schierem Volumen und Frizz.
Auf. Wiedersehen.
Vielleicht hatte er falsch verstanden. Verließ sie die Schule dauerhaft? Er hatte nichts dergleichen von Minerva oder Dumbledore gehört. Was für eine List dann? Lauerte Potter hinter ihr, zum Angriff bereit? SchülerInnen kamen niemals zu ihm, um „auf Wiedersehen" zu sagen. Er wusste nicht recht, was er von ihr halten sollte.
„Haben Sie nichts zu sagen? " fragte sie höflich.
War das eine Fangfrage? Er blinzelte wieder.
„Auf Wiedersehen…?" frage er langsam. Sie nickte enthusiastisch wie eine Lehrerin mit einem Schüler, der schwer von Begriff war, und hüpfte ganz in den Raum, in seine sorgsam gewartete Privatsphäre einfallend.
„Ich hoffe, Sie haben einen brillanten Sommer!" sagte sie. „Ich habe die Sommerferien immer gehasst. Kann es nicht aushalten, zu lange von der Schule weg zu sein, wissen Sie. Aber", sie seufzte und klopfte auf ihre überfüllte Tasche. „Ich habe meine Bücher. Und in zwei Monaten bin ich zurück."
„Ist das eine Drohung?"
Sie lachte.
Er starrte. „Sollten Sie nicht im Zug sein?" Sich von mir weg bewegen?
„Ich hatte ein wenig Zeit übrig. Ich mache die Runde und Sie sind der letzte auf meiner Liste."
„Ich bin geschmeichelt."
„Das Beste kommt zum Schluss. Das sagt meine Mum."
„Wieder. Geschmeichelt."
Dann, Schrecken aller Schrecken, streckte sie ihre kleine Hand aus und ließ sie nahe seiner verkrampften schweben. Er verlagerte seinen stählernen Blick von ihrem Gesicht zu der angebotenen Gliedmaße, und machte keine Anstalten sie zu fassen.
Schließlich griff sie hinunter und packte sein Handgelenk fest, schüttelte es auf und ab, einmal, zweimal, ließ es dann aus. Trotzdem wollte sie nicht gehen. Snape atmete laut durch seine Nase aus. Sie beobachtete ihn und fast konnte er die Zahnräder hören, als sie etwas … erwog. Dann trat sie zwei Schritte nach vorn, warf ihre Hände um seinen Brustkorb und umarmte ihn.
Er schaffte es, seine Hände gerade noch rechtzeitig frei zu bekommen und hob sie hoch, über ihren Kopf. Er machte absolut keine Anstalten, sie zu berühren, sondern starrte nur mit Abstoßung hinunter auf das obere Ende ihrer verworrenen Haare.
„Was tun Sie da?" zischte er.
Sie murmelte etwas nicht entzifferbares in seine Roben.
„… wie bitte?"
Sie zog sich zurück.
„Eine Umarmung ist ein Händedruck des Herzens", sagte sie. „Das sagt meine Mum auch." Sie lächelte hinauf zu ihm, offen, zähnezeigend, herzergreifend.
Und so hat es angefangen.
…
2.
Weil er es für nahezu unmöglich hielt, dass irgendetwas sie bewegungslos oder, Merlin bewahre, sprachlos zurück ließ, ging er selbst zu ihr. Spätnachts, ruhig wie ein langes schwarzes Gespenst, glitt er durch den Krankenflügel, vorbei an Pomfrey, die in ihrem Stuhl nickte, vorbei an den anderen besetzten Betten, bis er das eine fand, das er suchte.
Ihr Anblick, klein und steif und oh so blass im Mondschein überrumpelte ihn. Er blieb plötzlich stehen, einen Meter von ihrem Bett entfernt, seine Augen musterten ihre Erscheinung. Er hatte Petrifikation zuvor gesehen, natürlich, aber aus irgendeinem Grund erschreckte ihn dieser spezielle Fall mehr, als er es je erwartet hätte. Er sah sich um, um sicherzugehen, dass Pomfrey noch immer döste und trat noch näher. Er beugte sich zu ihr, bis sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihren, weiten, blinden Augen entfernt war. Ihre Hände und Arme waren umständlich gelagert und er erinnerte sich, unaufgefordert, daran, als sie fest um seine Mittelsektion herum gewickelt waren.
„Severus?" Beim Klang von Poppys ruhiger, neugieriger Stimme hinter ihm schnellte sein Kopf hoch und er machte auf dem Absatz kehrt.
„Keine Veränderung, also?" sagte er, ihre Augen meidend.
„Nein, die Armen", seufzte sie. „Wie lange noch, bis es fertig ist?"
„Ich gehe jetzt gerade nachsehen", sagte er mit eher erstickter Stimme.
Er warf einen weiteren Blick auf das Mädchen, bevor er davonraste.
Dann erblickte er sie, als sie einen Flur entlang mit einem anderen Bengel direkt auf ihn zuging und er stoppte, der Atem blieb ihm leicht in seiner Kehle stecken. Sie stand aufrecht, sie hielt ihre Bücher fest, sie redete ununterbrochen.
„Wir holen die verloren gegangene Zeit auf, Miss Granger?" Er konnte nicht anders.
Sie stoppte mitten im Satz, ließ ihre Bücher fallen und warf sich auf ihn. Snape sah ihrem Klassenkameraden in die Augen, dessen Mund in einer perfekten, erstaunten O-Form geöffnet war.
Flüstere ein einziges Wort davon, und du wirst teuer bezahlen.
„Danke, danke, Sir", plapperte Hermione.
„Erneut frage ich Sie, Miss Granger, was tun Sie da gerade?" Er versuchte vergeblich, sich loszureißen. Ihre Arme schienen um ihn herum versteinert zu sein.
„Madam Pomfrey sagte, dass Sie jede Nacht wach waren, an dem Trank gearbeitet haben, also müssen sie einfach erschöpft sein, Sir, und nun ja, meine Mum sagt, Umarmungen sind die universelle Medizin."
„In der Tat", sagte er gedehnt. „Ich muss das nächste Mal daran denken, wenn ich mich um eine Horde Petrifizierter Kinder im Krankenflügel kümmern muss."
Sie lachte laut und lange über diesen Satz.
Später, viel später, vertraute Poppy ihm an, dass sie niemals eine Charge Alraunen Trank hatte, die so effektiv wirkte.
„Du musst dein Herz und deine Seele hinein gesteckt haben", neckte sie.
„Hätte ich doch eines davon", war seine Antwort.
…
3.
Sein Kopf schmerzte tagelang, nachdem er gegen die Mauer der Heulenden Hütte geknallt wurde, aber es war sein Stolz, der schmerzlich, fast irreparabel verletzt war.
Und daran zu denken, dass sie Teil des gesamten Debakels war, dass sie sich auf ihre Seite gestellt hatte, dass sie gehört und möglicherweise geglaubt hatte, welche schreckliche Verunglimpfungen geäußert worden waren, nachdem er handlungsunfähig gemacht worden war, schmerzte mehr, als er je zugeben würde.
Er warf Bücher eher wild in einen Ranzen, als er ihre nervöse und weinerliche Anwesenheit in der Tür seines Büros spürte.
„Was wollen Sie?" knurrte er.
„Ich bin gekommen, um mich zu entschuldigen", flüsterte sie. „Es tut mir so leid, Sir. Was wir getan haben -"
„Hätte dazu führen sollen, dass Sie und Ihre miserablen, gemeinen Kameraden rausgeworfen werden", spuckte Snape.
„Ich weiß, ich weiß!" Sie rang ihre Hände. „Wir – ich habe nicht nachgedacht, Sir. Wir wollten es nie tun und wir wussten zu dem Zeitpunkt nicht, wer Sirius wirklich war -"
Snape siedete bei dem Namen und knallte ein Buch auf den Schreibtisch. Hermione zuckte zusammen und begann ehrlich zu weinen.
„- und ich weiß, dass Sie nur versucht haben, uns zu beschützen."
Snape lächelte innerlich höhnisch darüber.
„- und ich hoffe, Ihr Kopf ist in Ordnung und ich hoffe, dass Sie -"
„Was? Was? Dass ich kein formelles Ansuchen einreiche, Sie drei aus Hogwarts zu werfen?"
Sie schnappte nach Luft und ließ ihren Kopf hängen. „Ich würde es Ihnen nicht übel nehmen, wenn Sie es täten."
Er atmete scharf aus, sein Ärger verflog infinitesimal.
„Entfernen Sie sich aus meiner Sicht, Miss Granger. Ich habe viel Arbeit zu erledigen und Sie sind in der Tat eine sehr armselige Ablenkung."
Aus seinem Augenwinkel heraus sah er sie nicken und ihren Ärmel über ihre Augen und ziemlich rotzige Nase wischen. Jeden Augenblick jetzt, dachte er. Er legte das Buch ab, bereitete seine Arme vor. Jeden… Augenblick...
Sie stürzte sich auf ihn.
„Ich hoffe, Sie können mir vergeben, Sir", schluchzte sie in seine Roben. „Ich fühle mich einfach schrecklich wegen Allem und ich hoffe, es stört Sie nicht, aber meine Mum sagt, man kann keine Umarmung geben, ohne eine Umarmung zu kriegen."
„Ihre Mutter", zischte er, „irrt sich leider."
Sie drehte sich um und floh und er konnte ihr gedämpftes Schluchzen im Korridor hallen hören und er fühlte ihre Phantomarme um ihn und er schleuderte einen besonders schweren Band durch den Raum und dachte:
„Warum hackt sie auf mir herum?"
…
4.
Er hasste den Januar immer.
Die SchülerInnen kamen zurück und die tiefste, dunkelste Kälte setzte sich im Schloss fest und dieses Jahr, in seinen Knochen. In diesem Jahr schien ihm nicht warm zu werden, ganz gleich wie viele Zauber er anwandte.
Und da war Miss Granger, die im hinteren Teil des Klassenzimmers trödelte, ihre Bücher müßig in ihrem gigantischen Ranzen sortierte und umsortierte, wartete, bis alle anderen davon hasteten. Es war erstaunlich, wie langsam die SchülerInnen in seinen Raum eintraten und wie eilig sie flüchteten.
Er seufzte, resigniert, als sie sich seinem Schreibtisch näherte.
„Wenn Sie hier sind, um Hilfe für Potters letztes Trimagisches Rätsel zu kriegen, sind Sie schmerzhaft irregeführt", warnte er.
„Das bin ich nicht!" sagte sei, aufrichtige Überraschung färbte ihre Stimme. Sie wippte auf den Ballen ihrer Füße und biss sich auf die Lippe.
„Was dann? Spucken Sie es aus!"
Sie platzte förmlich vor… etwas. Er blickte sie böse an, wurde jede Minute irritierter.
„Heraus damit! Ich habe bessere Dinge um meine Zeit zu verbringen -"
„Wie feiern?" fragte sie.
Er blickte sie finster an.
„Ich kann Ihnen versichern, dass ‚Feiern' heute nicht hoch auf meiner To-Do-Liste steht, außer, natürlich, ich kann Sie überzeugen, in den den nächsten 10 Sekunden zu verschwinden."
„Aber es ist Ihr Geburtstag!" juchzte sie feierlich. Jeden Augenblick würde sie anfangen, auf und ab zu springen und in ihre Hände zu klatschen.
Er erstarrte. Ein weiterer Grund, den Januar zu hassen. Den neunten Januar. Lieber Merlin, das war es. Er atmete gefährlich aus.
„Und wie", sprach er langgezogen, „kam es dazu, dass Sie in dieses Stück Information eingeweiht wurden?"
Sie biss ein Kichern zurück. Er konnte es dort lauern hören, nur knapp hinter ihren generalüberholten Zähnen.
„Oh, Professor McGonagall ließ es fallen, Sir. Ich glaube, sie plant eine kleine Überraschung für Sie in Dumbledores Büro zur Mittagszeit."
Er schloss die Augen und kniff sich in den Rücken seiner beträchtlichen Nasen. Ja. Natürlich. Minervas liebe altehrwürdige Tradition von Geburtstagstorte und Met, die er gnädigerweise in den letzten fünf Jahren zu vermeiden geschafft hatte.
„Keine Sorge, Sir", sie lehnte sich verschwörerisch nach vorne. „Ihr Geheimnis ist bei mir sicher. Ich habe niemandem davon erzählt, nicht einmal Harry oder Ron."
„Ja, danke, denn ich bin mir sicher, dass sie alle hier herunter gestürmt wären um Geschenke zu verteilen."
Hermione biss ein Lachen zurück.
„Nein, tut mir leid, nur ich, Sir."
„Wie bitte?" sagte er eisig.
„Nun, nicht genau ein Geschenk, weil… naja, ich hätte Ihnen etwas gebastelt, aber ich hatte nicht genug Zeit, wissen Sie -"
Jetzt kommt es.
Er bereitete sich vor, überprüfte die Tür, um sicherzustellen, dass keine herumirrenden SchülerInnen auftauchten.
Sie umarmte ihn. Er ließ sie.
„Mum sagt, man kann Liebe nicht in eine Schachtel einpacken, aber man kann eine Person in eine Umarmung einpacken."
„Was?"
„Oh", stammelte sie und ihr Gesicht bekam einen besonders unattraktiven Ton von Karminrot. „Nicht diese Art von Liebe, Sir. Es ist… Es ist nur ein Sprichwort, wissen Sie?"
Er wusste es.
„Happy Birthday, Sir", sagte sie als sie davon rannte.
Komisch, bemerkte er später, wie er sich danach nie ganz so kalt fühlte.
…
5.
Was für ein schreckliches, grauenerregendes Jahr.
Zwischen dem Ertragen der fast unerträglichen Scheußlichkeit die Umbridge war und der „Ehre" die ihm zuteil wurde, Potter Okklumentik zu lehren, verfasste Snape nicht ein, sondern zwei beißende Kündigungsschreiben. Am Ende verbrannte er beide, aber der Akt des Schreibens allein beruhigte ihn in seinen schlimmsten Momenten.
Dann das vollkommene Desaster im Ministerium. Dann fand er sich an ihrer Bettseite wieder.
Im Krankenflügel war sie natürlich außer sich vor Schmerzen, aber nachdem er einen ziemlich komplizierten Trank und einen Gegenfluch verabreicht hatte, beruhigte sie sich etwas und sah sich um. Irgendwann fokussierten sich ihre trüben Augen, er war sich sicher, vollständig und zwingend auf ihn.
„Professor Snape", murmelte sie. Er nickte knapp. „Sie sehen furchtbar aus, Sir."
„So wie Sie."
Sie musterte ihn.
„Wer braucht eine Umarmung?" fragte sie undeutlich und streckte ihre Arme hoch um ihn zu umfassen.
„Miss Granger", zischte er und blickte sich hastig um, um zu sehen ob es jemand bemerkt hatte. Zum Glück war der Raum mit schlimm genug verletzten SchülerInnen und panischen LehrerInnen gefüllt, so dass niemand die krampfartigen Gliedmaßen eines bestimmten schwer wahnhaften Mädchens gesehen hatte.
„Legen Sie sich hin und bewegen Sie sich nicht", befahl er. „Sie sind verletzt, so wie die meisten Ihrer idiotischen FreundInnen und Sie haben uns allen mehr Arbeit gemacht, als wir bewältigen können."
„Oh, ich bin mir sicher, dass Sie es bewältigen können", murmelte sie, während sie wieder in die Bewusstlosigkeit driftete. „Sie sind der klügste Mann, den ich kenne."
Er sah sie erst Wochen nachdem sie aus dem Krankenflügel entlassen worden war wieder von Angesicht zu Angesicht, obwohl er sie aus der Ferne beobachtet hatte, wenn er es unbemerkt tun konnte. Sie trug sich zart, behutsam, als würde etwas tief in ihr schmerzen.
Es war im Grimmauldplatz 12 wo sie ihn konfrontiere, alleine, als er im Begriff war, nach einem besonders volatilen Treffen zu gehen.
„Miss Granger", sage er so geschmacklos wie möglich.
„Sie haben mir das Leben gerettet, schon wieder", begann sie. „Madam Pomfrey -"
„Würde gut daran tun, ihre übermäßig dramatischen Meinungen für sich zu behalten."
„Aber Sie -"
„Habe meine Arbeit getan, sonst nichts."
„Aber -"
„Ruhe, Miss Granger, einmal in Ihrem Leben. Bitte."
Sie nickte, seufzte und drehte sich um, als wollte sie weggehen. Snape war erstaunt. Erstaunt, dass er… enttäuscht war.
Wird sie mich nicht umarmen?
Sie drehte sich zurück und zu seinem Entsetzen hatten sich ihre Augen mit Tränen gefüllt. Glücklicherweise war er vorbereitet, als sie sich auf ihn stürzte und hob fachmännisch seine Arme, um nicht willentlich irgendeinen Teil von ihr zu berühren.
„Wenn Sie mich Ihnen nicht danken lassen, dann, hier", sagte sie gegen seine Brust. „Eine Umarmung ist tausend Worte wert. Wenn ich Sie umarme, muss ich nicht so viel reden, dass sagt meine -"
„Sie würden sehr gut daran tun, nach diesem Motto zu leben."
„Das Umarmen?"
„Das nicht so viel reden."
Sehr spät in der Nacht, wenn er die größten Schwierigkeiten hatte, einzuschlafen oder durchzuschlafen, sein Geist voller Bilder, die selbst Okklumentik nicht klären konnte, stieg eine einzelne Stimme über alle anderen und wiederholte sanft den selben Satz immer wieder.
Wer braucht eine Umarmung?
Worauf es nur eine Antwort gab, wurde ihm bewusst.
Ich tue es.
…
6.
Dann war da das glorreiche Jahr, in dem er nicht eine, sondern zwei Umarmungen bekam.
Die erste war rein versehentlich, zugegeben, aber sie passierte dennoch, und später, viel später, als er die eigenartigen und dunklen Geschehnisse seines Lebens in seinem Kopf durchspielte, klammerte er sich an jede menschlicher Freundlichkeit, die er finden konnte.
Hermione Granger stellte den Großteil davon bereit, bemerkte er.
Sie stieß wörtlich mit ihm zusammen, als sie eine Ecke umrundete, Kopf gesenkt, und dieses Mal griff er nach ihr, wenn auch nur, um sie beide stabil zu halten.
„Oh", sagte sie, verwundert, aufsehend. Sie hatte geweint, erkannte er, und lief vor etwas davon. Oder jemandem. Er fragte nicht. „Tut mir leid, Sir."
Er ließ sie los und bewegte sich, um weiterzugehen als sie ihn ohne Warnung umklammerte. Er schaffte es nicht einmal, seine Arme frei zu bekommen und stand da, festgenagelt, hilflos.
„Nur für den Fall, dass ich Ihnen später keine geben kann", flüsterte sie, worauf er absolut keine Erwiderung hatte.
Was hatte das zu bedeuten?
Dann, viel später, als der unausweichliche Abschluss näher rückte, fand sie ihn wieder. Aber diese Granger war völlig anders als in den vorausgegangenen Jahren. Diese junge Frau war gedämpft und ruhig. Es herrschte eine Stille um sie, und unter dieser Stille eine große Unruhe, die er nicht lesen konnte, nicht einmal mit Legilimentik.
Sie waren alleine am Flur direkt neben seinem Klassenzimmer – wie sie ihn gefunden hatte, wusste er nicht, da er geflissentlich möglichst jedem aus dem Weg ging – aber da war sie, betrachtete ihn mit jenen Augen.
Er betrachtete sie im Gegenzug und wartete auf das Unausweichliche.
„Miss Granger", sagte er trocken als sie ihre Arme fester um ihn legte, als er sich je erinnerte. Aus irgendeinem Grund schmerzte sein Herz. „Ich kann mich nicht erinnern, kürzlich Ihr Leben gerettet zu haben."
Sie sagte nichts, eine Tatsache, die an sich sein Unbehagen exponentiell wachsen ließ. Sie stand einfach da, ihr Gesicht in seinen Umhang gedrückt und er bemerkte wie groß sie geworden war, wie ihr Haar sich endlich selbst gezähmt hatte, wie sie nach Pergament und etwas Blumigem roch. Jasmin. Er erlaubte einer Hand, sich zu senken, bis sie fast ihren Scheitel berührte. Dann zog sie sich zurück, langsam, widerwillig.
„Sind sie ganz fertig?" fragte er langgezogen durch das Sausen in seinen Ohren.
Sie nickte, ihre Augen auf seinem Gesicht, als ob sie ihn studierte. Nein, ihn sich einprägte.
„Wofür war das?" fragte er und sein Herz dröhnte unangenehm gegen seine Rippen. Sie begann, ihn aus der Fassung zu bringen, sogar mehr als üblich.
Sie holte Luft, ihr Gesicht bewegte sich nicht ein kleines bisschen zu einem Lächeln. „Ich hatte nur das Gefühl, dass Sie eine brauchen könnten."
„In der Tat."
Sie nickte wieder.
Er hielt inne. Er fühlte, wie der Drang nach Sarkasmus, Bissigkeit, Spott über ihn wusch. Irgendetwas, um seine aufkeimende Panik zu stillen. „Was? Keine tiefempfundenen Plattitüden? Nichts von der lieben alten Mum zu teilen?"
Sie schluckte, dann nickte sie ein weiteres Mal. „Eine stille Umarmung bedeutet dem unglücklichen Herzen tausend Worte."
Er blinzelte plötzliche Tränen zurück. Er blinzelte stark und sie sah sie nie, oder vielleicht tat sie es, denn als er sehr leise „Danke" sagte, nickte sie zum letzten Mal und sah aus, als wollte sie ihn noch einmal umarmen, bevor sie wegging.
Er wünschte mit all seinem Herzen, dass sie es getan hätte.
Denn als er bittere Tränen über den dunklen Weg, der vor ihm lag, weinte, als er darüber nachdachte, was getan werden und wer es tun musste, und wenn alles vorüber und erledigt war, war er sich ziemlich sicher, dass er niemals wieder eine Umarmung bekommen würde.
…
7.
Wie hat es geendet?
Auf dem dreckigen, kalten Boden der Heulenden Hütte mit seinem Lebensblut, das unerbittlich davon lief. Mit ausgerechnet dem Idioten Potter, der über ihm kniete und auf ihn hinunter starrte, mit einer entsetzlichen Mischung aus Hass und Mitleid auf seinem verwüsteten Gesicht.
„Fang sie… auf… Fang sie… auf.."
Potter erhielt sie ordnungsgemäß und endlich, gesegnet zog er sich zurück und enthüllte das Gesicht, das Snape aufrichtig zu sehen wünschte.
Granger.
Er hatte nie etwas so schönes und so voll von Trauer gesehen. Ihr Gesicht, üblicherweise so voll von Licht und Leben und Energie war desolat, irreparabel gebrochen. Sie starrte ihn hilflos an, vergrub dann ihr Gesicht in ihren Händen und weinte. Da wusste er, wie er es zuvor noch nicht gewusst hatte, dass auch er irreparabel gebrochen war. Und hier war die eine Person, die eine Person auf der Welt, die es kümmern könnte, dass es Severus Snape bald nicht mehr geben würde. Sie senkte ihre Hände. Er lächelte zu ihr hoch.
„Oh Sir", flüsterte sie. Er spürte, wie ihre Finger auf seinen Hals drückten. Er fühlte ihren Blick auf sich. Er spürte ihre Tränen auf seinem Gesicht. Sie lächelte zu ihm hinunter, engelsgleich, erlösend, sein Herz heilend.
Mit qualvollem Bemühen hob er seine Arme und griff nach ihr. Er schlang seine Arme um sie und zog sie zu sich.
Sie war wundervoll.
Sie schloss ihre Augen kein einziges Mal. Sie lehnte sich über ihn. Er spürte ihre Arme um seine Schultern und ihr Gesicht an der unversehrten Seite seines Halses. Er spürte, wie sein Blut stetig sickerte, aber es beunruhigte ihn nicht so sehr wie zuvor.
So lang du mich hältst, bin ich sicher vor allem Leid. Wer sagte das? Er war sich nicht sicher, aber er schätzte, es hätte Grangers Mum sein können. Jene weise, weise Frau.
Und dann spürte er ein Auflösen, ein leichter Werden und etwas, das Liebe sein könnte als er davon driftete zu welchem Platz oder Schicksal auch immer ihn erwartete.
Er wünscht nur, er hätte etwas länger durchhalten können. Granger sah wirklich so aus, als könnte sie eine Umarmung brauchen.
Und so endete es.
…
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