Und dies alles unter deiner Nase, Albus!
1. Erwachen
Langsam ganz langsam zog sich die Sonne aus dem Tag zurück. Die Straßen wurden leer, denn die Bewohner zogen sich in ihre Häuser zurück. Der Wechsel der Tageszeit wurde ersehnt und verflucht. Ersehnt, weil sie die Qualen des Tages mit denen der Nacht vertauschte.
Am Tag litt er unter der Arroganz und der Bosheit seiner Verwandten. Seine letzten Verwandten, bei ihnen musste er eine bestimmte Zeit im Jahr verbringen, damit der Schutzzauber, den sein Schulleiter und Mentor über ihn und seiner Familie ausgesprochen hatte. Jetzt nach fünfzehn Jahren hatte er dies erst erfahren. In den ersten elf Jahren kannte er nichts außer den Ligusterweg und die feindliche Haltung seiner Verwandten. Seine Grundschulzeit war nicht schön gewesen. Schuld daran war Dudley, der mehr aus der Form geratene Sprössling von Onkel Vernon und Tante Petunia.
Harry schreckte auf, hat er schon wieder das Versprechen gebrochen, das er sich selbst gegeben hatte. Er wollte nicht mehr in Selbstmitleid baden. Kurz nach dem Kampf im Ministerium, bei dem er seinen Paten verloren hatte, ging er darin unter. Nur die Schuld an seinem Tod konnte er nicht wegschieben. Er war durch seine ichbezogene Sicht der Dinge in eine Falle von Tom Riddle getreten, hatte alle Warnungen zum Trotz sich in das Ministerium aufgemacht. Er war fest davon überzeugt, dass Sirius Black, sein Pate, einer seiner letzten Verbindungen zu seinen Eltern, die er nie hatte kennen lernen können, in Gefahr war. Er war der Vision, welche diese Tom Riddle ihm gesandt hatte auf den Leim gegangen und es kam zu einem Kampf auf Leben und Tod. Hierbei kam Sirius Black ums Leben, in dem er durch den mystischen Bogen im Ministerium fiel.
Ja, diesem Tom Riddle, der sich in seinem Größenwahn schon in seiner Schulzeit in Lord Voldemort nannte, verdankte er sein Elend. Dieser Zauberer hatte im Jahr seiner Geburt die höchste Macht erreicht. Er war nicht an der Regierung, sondern er tyrannisierte die Zauberergesellschaft mit Gewalt. Mord und Folter waren an der Tagesordnung. Viele, vielleicht die meisten hatten Angst selbst den erfundenen Namen aus zu sprechen. Alle hatten Angst von ihm, oder seinen Folterknechte im bedroht zu werden. Jede Bewegung hatte ihre Symbole, Voldemort und seine Todesser, wie sich seine blutrünstigen und machtgierigen Anhänger nannten, hinterließen am Himmel das ‚Dunkle Mal'.
Jedem der zu einem Haus kam und war es auch das Eigene wusste, dass sein schlimmster Albtraum wahrgeworden war, wenn dieses Zeichen sich am Nachthimmel befand. Keine Seele würde mehr leben, alle waren ermordet oder im schlimmsten Falle zu Tode gefoltert worden.
Und eben dieser hatte, als er ein Jahr war, seine Eltern ermordet nur an ihm scheiterte. Seit dem war er der Junge der überlebt', belastet mit der Aufmerksamkeit aller und was die meisten nicht wussten auch mit einer Prophezeiung. Der zweite Teil dieser verfluchten Prophezeiung kannten, außer ihm nur noch Dumbledore und vielleicht noch ein paar Lehrer in Hogwarts.
»Der Eine mit der Macht, den dunklen Lord zu besiegen, naht heran. Jenen geboren, die ihm drei Mal die Stirn geboten haben, geboren, wenn der siebte Monat stirbt, und der dunkle Lord wird ihn als Ebenbürtigen kennzeichnen, aber er wird eine Macht beisitzen, die der dunkle Lord nicht kennt... und der Eine muss von der Hand des Anderen sterben, denn keiner kann leben, während der Andere überlebt.«
Die Zeilen machten ihn entweder zum Mörder oder zum Ermordeten.
Und wegen diesem Feind konnte er sich immer weniger frei bewegen. In den letzten Ferien konnte er noch unbeobachtet durch die Straßen ziehen, jetzt wurde er sogar schon bei Tag beschattet.
Die Tatsache, dass Misses Figg nach ihm schaute störte, ihn nicht, damit konnte er leben. Aber die vielen stummen Wächter, die ihm überall hinfolgten, störten ihn sehr. Er war nicht nur der Junge der überlebte', sondern er war auch der Junge ohne eine Privatsphäre. Den seine Privatsphäre bestand aus diesem Raum. Die Dursley mieden ihn und die Mitglieder des Ordens sollten ihn nicht betreten, um ihre Denkung nicht aufzugeben.
Aufmerksam wurde er auf diese stummen Wächter, als er einem Schnarchen nach ging, das er unweit von Misses Figgs Haus hörte und Mungundus fand.
Die lustigste Begegnung war die mit Tonks heute Abend gewesen. Er kam zu spät nachhause und stieg über den Gartenzaun, um unbemerkt am Küchenfenster seiner Tante vorbeizukommen, da hörte er jemand eine traurige Melodie summen und das mitten im leeren Garten. Er kannte die Stimme und konnte es sich nicht verkneifen auf das Geräusch zu gehen und Tonks einen Schokoladenriegel anzubieten.
»Harry, verrate es bitte niemand«, flüsterte sie erschrocken. Harry öffnete die Tür zum Gartenhaus der Dursleys und bat sie herein. In dem fahlen Licht sah er in zwei Augen, die nicht mehr so lustig strahlten, wie er sie in Erinnerung hatte.
Spontan umarmte er Tonks und flüsterte ihr in das Ohr: »Auch mir fehlt er sehr, ihr aber könnt darüber miteinander reden, aber ich, wie soll ich damit fertig werden?"
Tonks dachte kurz nach und eine Träne rannte ihre Wagen hinunter: »Remus versucht es mit Schreiben. Er schreibt sich alles von der Seele. Manchmal sehen wir ihn stundenlang nicht. Vielleicht solltest du es auch versuchen. Hier Harry ein Tagesprophet, Dumbledore wollte zwar nicht, dass du es erfährst, aber Lupin und ich meinen du solltest es unbedingt wissen.«
Sie drückte ihm die Zeitung in die Hand und verschwand. Kurz danach wurde die Türe aufgerissen. »Willst du heute hier übernachten? «, brummte ihn sein Onkel an. »Deine Tante steht unter Schock, weil du hier einen riesigen Krach veranstaltest! «
Harry steckte die Zeitung in seine Umhängetasche. Die Tasche hatte er auf in einem Garagenflohmarkt gefunden. Sie war ganz aus Leder, richtig dickes Leder. Sein Onkel lachte ihn aus, als er sie mit in den Ligusterweg brachte. Satteltasche hatte er gespottet. Harry lies das kalt, dieses Jahr schien ihn diese Art von Angriffen nicht so viel auszumachen. Vielleicht eine Schutzfunktion seines Geistes, den dieser hatte genug zutun. Jede Nacht sah sich Harry im Ministerium kämpfen, bei jedem Aufschrecken machte er sich immer wieder die gleichen Vorwürfe.
Er zog sich sofort in sein Zimmer zurück, und warf sich, vor Wut kochend, auf sein Bett. Wieder stieg die Angst und vor allem die Vorwürfe in ihm auf. Was wären das für schöne Ferien gewesen, wenn er mit Sirius...
Erst seit er vorhin in Tonks traurigen Augen gesehen hatte, wurde ihm bewusst, dass nicht nur er um Sirius trauerte. Gleich bei Beginn der Sommerferien, vermutete er noch, dass er allein um ihn trauerte.
Er erinnerte sich wieder an die Zeitung. Albus Dumbledore wollte ihm etwas vorenthalten. War das Gespräch im Büro umsonst gewesen, wollte der Alte ihn immer noch lenken und leiten. Ihm nur die Informationen zukommen lassen, die nach seiner Ansicht nach richtig waren.
Er schlug den Tagesprophet auf und erwartete ein Bild von Sirius oder einen gemeinen Bericht über ihn selbst. Aber nichts, außer belanglose Artikel. Am Rand war eine Notiz angebracht 'Harry S. 5 beachten'. Schnell hatte er die 5. Seite aufgeschlagen, unten ganz in der Ecke stand eine Bekanntmachung des Ministeriums, die rot markiert war:
BEKANNTMACHUNG DES MINISTERIUMS
Aufgrund der Umstände, dass 'Der dessen Namen nicht genannt werden darf' sich wieder unter uns befindet hat sich das Ministerium für folgenden Schritt entschlossen:
Die Verordnung über die Beschränkung von minderjährigen Zauberern wird außer Kraft gesetzt.
Wir machen darauf aufmerksam, dass die internationale Geheimhaltungsverpflichtung weiterhin besteht. Verstöße gegen diese werden vom Ministerium unnachgiebig verfolgt.
Der Minister für Magie
Harry legte schwer enttäuscht die Zeitung auf seinen Schreibtisch. Sie haben es alle gewusst, denn die Zeitung war am ersten Ferientag erschienen, das war jetzt vor beinahe einer Woche. Hermine, Ron und auch Ginny, und sie hielten sich an die Anweisung von Dumbledore, ihn hier nicht zu informieren. Seine Freunde informierten ihn nicht, das tat weh. Wenn er es ihnen vorwerfen würde, da war es sich ganz sicher würden sie zu ihrer Verteidigung die alten Sprüche wieder auffrischen. Er konnte es nicht mehr hören, Dumbledore wollte das ..., es ist doch nur zu deinem Schutz ... Diese ganzen Ausreden kotzen ihn an. Er beschloss, sich seine Informationen selbst zu besorgen. Der Artikel in der Zeitung kam ihm gerade recht, nur ein paar Vorsichtsmaßnahmen waren notwendig.
Er kramte ein Pergament hervor, suchte sich eine Feder und schrieb einen Brief:
Sehr geehrte Frau Bones,
im Tagesprophet habe ich davon gelesen, dass die 'Verordnung über die Beschränkung von minderjährigen Zauberern' nicht mehr gilt.
Da ich, schon wegen dieser Verordnung vor dem Zauberergamont erscheinen musste, bitte ich sie um eine Bestätigung dieses Artikels sowie eine Ausfertigung des internationalen Geheimhaltungsabkommen.
Ich hoffe sie verstehen meinen Wunsch.
Mit freundlichen Grüßen
Harry J. Potter PS: Meine Eule warten auf ihre Antwort.
Er las den Brief noch dreimal durch. Ja so konnte er sicher gehen, dass dies kein Scherz oder gar eine Falle war. Mit der Bestätigung aus dem Ministerium konnte ihn keiner mehr vor den Zaubergamont zerren.
Er ging an den Käfig seiner Eule: "Hedwig ich lasse dich etwas raus, du musst aber Morgen ganz früh mich wecken, denn ich habe einen wichtigen Brief für Madame Bones im Ministerium." Er sah seiner weißen Eule nach, wie sie in den Nachthimmel aufstieg.
Er las den Artikel immer wieder durch. Seine Phantasie schlug Kapriolen, er musste nur noch klären, wie weit die Dursleys unter das Geheimhaltungsabkommen fielen. Eigentlich gar nicht, den sie wussten ja von der magischen Welt, aber er wollte kein Risiko eingehen. Nein er wollte nicht schon wieder vor Gericht und dann noch wegen den Dursleys.
Jetzt konnte er nur noch auf Morgen warten und hoffen, dass er die Bestätigung bekam.
Der Gedanke, dass er wenigstens in seinem Zimmer zaubern konnte, gab ihm neuen Aufschwung. Die ganzen Schulsachen, welche er nach seiner Ankunft im Ligusterweg einfach in die Ecke geworfen hatte, warteten darauf geordnet zu werden.
Nach einer Stunde hat er es einigermaßen geschafft, die Schulunterlagen in dem wackeligen Regal unterzubringen. In seinem Koffer waren nur noch die Dinge, die er hier im Ligusterweg nie herausnahm. Der Umhang seines Vaters, das beschädigte Spikoskop und auch sein Besen. Vorsichtig nahm er in heraus. Alte Erinnerungen wurden wieder lebendig, er hatte den Besen von Sirius geschenkt bekommen. Sein Pate war zwar auf der Flucht gewesen und hatte es trotzdem geschafft, ihm den Besen zu kommen zu lassen. Wie ein Blitz war plötzlich ein Gedanke in seinem Kopf, wie hatte es Sirius geschafft? Er hatte Krumbein mit einem Brief zur Post geschickt. Das Geschäft in der Winkelgasse hatte den Besen verschickt und das Geld bei Gringotts geholt. Vor Aufregung lies er den Besen fallen, was ihm wütendes Geschimpfe seines Onkels einbrachte. Das war ihm jetzt egal. Schnell ging er zum Schreibtisch, nahm einen neuen Bogen Pergament und notierte sich den Weg den Sirius gewählt hatte.
Von Hermine hatte er sich doch einiges abgeschaut, dachte er sich, als er das Pergament betrachtete. Eine schöne Tabelle hatte er gezeichnet. Sechs Spalten hatte sie, und diese waren mit folgenden Stichwörtern überschrieben: Wunsch, normaler Weg, Sirius's Weg, mein Weg, to-do und zum Schluss 'was muss beachtet werden.
Nun füllte er die ersten Linien aus. Ja, so könnte es klappen. Nur welche Bücher wollte er zuerst haben. Er entschied sich nach langen überlegen ein Buch über Haushaltszauber, denn das Buch, was er eigentlich wollte, wagte er noch nicht darauf zu schreiben. Er wusste nicht, wie genau schriftliche Bestellungen geprüft werden und ob die Kobolde von Gringotts mitmachen würden, wenn ein Buch auf der Bestellung stand, welches seiner Altersklasse nicht entsprach.
Mit dem Vermerk sich das Geld bei der Zauberbank auszahlen zu lassen schloss er seine Bestellung ab.
Seine Müdigkeit war verschwunden, je mehr er über sich und Sirius nachdachte. Was hatten Sirius und sein Vater alles unter der Nase von Dumbledore fertig gebracht. Hier im Ligusterweg war er noch weiter von ihm, der alles lenken und führen wollte, entfernt. Und Unterstützung von seinen Freunden brauchte er in dieser Phase seiner Pläne nicht. Nein, ihm würde niemand etwas anmerken. Er wird weiter der blasse Junge sein, der auf Hilfe wartete, die ihm nicht gewährt wurde. Hilfe für seinen Seelenschmerz bekam er nicht, deshalb wird er es mit dem Vorschlag von Tonks versuchen. Vielleicht kamen ihm, dann noch mehr brillante Einfälle sowie dieser Versuch in der Winkelgasse einzukaufen, ohne dort zu sein.
Für Hedwig würde dies ein anstrengender Tag werden, denn er wollte seine Buchbestellung nicht zusammen mit dem Brief an das Ministerium versenden. Seine zweite Bestellung konnte er mitsenden, den Tagespropheten zu bestellen war eigentlich unverfänglich. Niemand konnte daraus seine eigenen Pläne und Ziele herauslesen. Ja und diese Ziele hatte er und er würde sie verfolgen, und zwar alleine.
Irgendwie schlief er heute etwas ruhiger. Die Aufregung über seine Pläne und die Spannung ob wenigstens die ersten Schritte klappten vertrieben wohl seine Albträume. Er kämpfte im Schlaf nicht gegen die Todesser im Ministerium, vielmehr sah er die Animagus-Figur von Sirius, er sah die Karte des Herumtreibers und plötzlich wie ein Filmriss die Szene im Büro von Snape.
Der Zaubertränkelehrer stand, mit gezogenen Zauberstab, vor ihm und rief: "Legilimens".
Harry schreckte auf, dies war ein Hinweis jetzt wusste er, was er vergessen hatte. Er ging zu seinem Schreibtisch und öffnete einen Brief nochmals um etwas zu ergänzen.